Fehrbelliner 90 ganz fleckig

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Beim Platzfest am Samstag, Nachschub von der Kaufhalle holend, sprang die ungewöhnliche Fassadengestaltung des Neubaus Fehrbelliner 90 ins Auge. Auf Nachfrage ergab sich, dass es in der Nacht von Freitag auf Samstag passiert sein musste.

Eine Reihe bunter Farbflecken also, und, bei näherem Hinsehen, auch vier beschädigte Fensterscheiben. Im Gegensatz zu den Farbeierwürfen auf den Verkaufspavillion des Marthashof-Komplexes vor ein paar Tagen wurde allerdings bislang keine Erklärung zur Begründung dieser Aktion veröffentlicht.

Das Bauvorhaben ist äußerlich zwar fertig gestellt, der Innenausbau scheint aber noch im Gange zu sein. Jedenfalls ist der Eingangsbereich noch abgesperrt, offenbar wohnt noch niemand da drin. Die Marktingseite im Netz gibt allerdings an, dass alle acht Wohnungen und die zwei Gewerbeeinheiten bereits verkauft oder zumindest reserviert seien. Um Mietwohnungen handelt es sich also definitiv nicht, und billig wird es auch nicht gewesen sein. Preise sind jedoch nicht angegeben. Der Entwickler Farid Scharabi von der UmBauBüro UBB GmbH & Co. KG und die Architektin Farid Susanne Scharabi scheinen immerhin großen Wert darauf zu legen, dass es sich um ein Niedrigenergiehaus handele. Neue vermögende Öko-Mittelschicht also?

Um ein bisschen zu spekulieren: Vielleicht wollten die nächtlichen WurfgeschossaktivistInnen ja nachdrücklich darauf hinweisen, dass anders als im Verkaufsprospekt (pdf) behauptet, der Prenzlauer Berg nach wie vor eben nicht vorwiegend „freischaffende Künstler und junge, innovative Unternehmer aus der Werbe-, Medien- und Computerbranche“ beherbergt und sich viele BewohnerInnen derartige Wohnungen daher nicht leisten könnten.

Vielleicht bemägelten die militanten Nachteulen auch die Vernachlässigung der „naturästhetischen Gesichtspunkte“ in der architektonischen Fassadengestaltung und wollten da etwas nachhelfen. Obwohl: Naturkräfte hinterlassen nun auch wieder eher andere Spuren.

Letztendlich scheint die Aktion sich mehr oder weniger einzureihen in lokale Aktivitäten der linksradikalen Actionweeks, darunter nicht nur die Farbeierwürfe auf Marthashof (hier auch in Bildern), sondern auch eine Kreuzungsbesetzung auf dem Rosenthaler Platz als Protest gegen die anstehende Räumung der Brunnenstraße 183, sowie eine „Schmuddelweeks“-Aktion in einer Filiale von Jette Joop, die ebenfalls im Zusammenhang mit der Brunnen183 steht.

15 Kommentare

  1. Wer ab und zu mal in Mitte unterwegs ist, möge sich die Gormannstraße Nummer 14 ansehen. Entweder ist die Architektin recht einfallslos oder hat hier einfach abgeschaut – das Haus sieht jedenfalls nahezu dentisch aus.

  2. Was ist eigentlich mittlerweile in diesem Kiez los? Sind wir nun wieder so weit, dass man missliebigen Nachbarn die Scheiben einwirft und das von so manchen stillen Genießern rundherum mehr oder weniger offen gutgeheißen wird?

  3. Ach, ich finde es sieht doch ganz hübsch aus! Hübscher als vorher. Tja, wenn man im „Szenebezirk“ mit den Künstlern Schulter an Schulter leben will, dann wird das Leben eben bisschen bunter!

  4. Na, wenn man Dein Cafe entsprechend „verschönern“ würde und dort die Scheiben einschmeißt, fändest Du das wohl auch nicht mehr ganz hübsch, oder?

  5. Naja, als hübsch könnte man ja allerhöchstens die bunten Farbflecken auf Anthrazit bezeichnen. Kaputte Scheiben sind sicherlich nicht hübsch. Man mag sie sicherlich auch niemandem wünschen. Als „den Nachbarn die Scheiben einschmeißen“ würde ich die Geschichte allerdings nun auch wieder nicht bezeichnen, da ja noch niemand drin wohnt. Ist also das Haus angegriffen worden, keine Menschen (jedenfalls auf der symbolischen Ebene).
    Viel schlimmer finde ich da diese Marotte mit dem Autos anzünden. Das hat zwar ne Weile die Diskussion über Reichtum und Aufwertung in den Innenstadtbezirken angekurbelt, inzwischen aber schon längst nicht mehr. Und dafür allerlei Leuten, die jetzt nicht gerade ein ganzes Haus ihr eigen nennen könnten, recht beliebig und sicherlich auch oft empfindlich getroffen. Dazu noch das möglicherweise traumatisierende Erlebnis des Feuers und des Angriffs auf einen oft als privat empfundenen Raum.
    Wie gesagt, dieses Autoanzünden finde ich weit schlimmer, und es hat in unserem Kiez schon eine ganze Menge Male stattgefunden. Wurde dann auch hier im Blog gemeldet, so wie das mit dem Haus jetzt. Aber ohne Aufschrei, wenn ich mich recht entsinne.
    Würde ich aber gerne noch wissen, worauf das „Ist es wieder so weit…“ anspielt, und was das mit den „stillen Genießern“ bedeuten soll.

  6. Willkommen in Baden-Würtemberg. Erst schwappt das stinkende Geld über den Main, dann kommen die gelangweilten Kinder hinterher, um mal so richtig in Rebellion zu machen. Fragt sich, warum der Konflikt nicht gleich zuhause im Ländle ausgetragen werden kann, anstatt auf breiter Front Stuttgart in all seinen faszinierenden Facetten – von der gesichtslosen Niedrig-Energie-Rigipshütte bis zur hochqualifizierten Kapitalismuskritik per Farbbeutel zu Menschen zu bringen, die eigentlich nichts davon vermisst haben.

  7. So, Monsieu X, wenn Sie keine Ahnung haben und/oder hier einfach nur herumpampen wollen, dann ist das nicht das richtige Forum. 1. ist völlig unbekannt, wer das Haus mit Farbe und Splittern eingedeckt hat und 2. sollte völlig egal sein, woher Leute kommen – alles andere ist xenophob. 3. hilft dummblödes Herumphantasieren nach Herzenslust bei solchen ernsten Themen nicht weiter.

  8. lieber autor – bitte richtig recherchieren – bei der architektin handelt es sich um eine frau –
    und nicht um einen mann – farid – ist ein männlicher name – soweit ich das weis!
    und: ich muss euch einfach meine wahrheit sagen liebe leute am teute – neid ist eine totsünde –
    ihr werdet doch nur das ernten was ihr säht! seid achtsam – passt auf euch auf – und sorgt dafür – das in euerer nchbarschaft keine steine in scheiben geworfen werden! … es könnte auch euere sein! wehret den anfängen!

  9. Danke für den Hinweis auf das Namensdurcheinander im Text bezüglich Entwickler und Architektin! Und „Todsünden“ gibt es nur für die, die daran glauben mögen. Außerdem tut es gut, Neid, Kritik und Analyse auseinander zu halten.

  10. Vorweg.. ich komme schon immer aus Berlin.

    Farbflecken als Botschaft, darüber kann man ja noch streiten. Aber Scheiben einschmeißen hat eine andere Qualität, die hier im Kiez warscheinlich fast keiner teilen wird! Mit solchen „Progromen“ schießen sich solche Aktivisten selber ins Aus.

    ich fand die Aktion nicht gut!

  11. Auch ich hatte ja bereits auf die sich im Kiez immer stärker breit machende Pogromstimmung gegenüber missliebigen Nachbarn hingewiesen. Wir (East-Berlin natives) wohnen seit fast 15 Jahren am Teute, sind aber mittlerweile von der feindseligen Grundstimmung gegenüber „den Anderen“ derart angewidert, dass wir sehr konkret darüber nachdenken, bald wegzuziehen.

    Denkt eigentlich auch mal jemand über die Menschen nach, die in den Wohnungen leben, deren Häuser „angegriffen“ werden? Diese „autonome“ Gewaltkriminalität ist zutiefst menschenverachtend – und jetzt möge mir niemand mit dem Argument kommen, dass dort zu dem Zeitpunkt des Überfalls noch niemnad gewohnt hat. Fast noch schlimmer sind allerdings die Leute, die das alles als legitime (politische) Willensbekundung klassifizieren und sich klammheimlich über derlei Niederträchtigkeit amüsieren.

  12. Ich kann David nur zustimmen. Schlimm genug, dass man, wenn man was im Kiez sagen will, auf die Jahre, die man schon hier lebt, hinweisen muss, um sich zu legitmimieren. Ich wohne seit 1990 in Berlin (meine Legitimation, hier so was zu schreiben) aber so eine „linke“ Fremdenfeindlichkeit wie derzeit, habe ich selbst in meiner Brandenburger Heimat nicht erlebt. Selbst ich wurde schon als Yuppie beschimpft, weil ich nicht mehr wie in meiner Studentenzeit rumlaufe, sondern gelegentlich ein Sakko trage und einen Kinderwagen schiebe. Diese ganze Gentrification-Debatte halte ich für völig überbewertet, schaut man sich mal genau Andrej Holms Buch dazu an, kann man feststellen, dass man von 20 % der ehemaligen Bewohner/innen nicht weiß, aus welchen Gründen sie weggezogen sind. Von diesen nimmt Holm an, dass sie „verdrängt“ worden sind. Das ist nicht sehr wissenschaftlich, aber kommt bei manchen wie ein Freifahrtsschein für Gewalt an. Viele meiner Freunde, die weggegangen sind, haben sich rauskaufen lassen und wohnen jetzt dort, wo es Arbeit für sie gibt (Köln, Hamburg, Kiel und Leipzig) und nicht im Plattenbau in Marzahn. Also bitte; Ball flach halten.

  13. Tino, du verwechselst da was, und ich glaube, du bist auch derjenige, der latent der Fremdenfeindlichkeit aufsitzt. Du behauptest nämlich, du könntest kein „Yuppie“ sein, da du ja von hier seist, zumindest schon lange genug. Du schreibst ja selbst, du seist so bezeichnet worden wegen deines (vermutlich von anderen als überdurchschnittlich schick empfundenen) Sakkos – oder etwa wegen der Preisklasse des Kinderwagens?

    Verdrängung findet durch statushöhere (in der Regel vermögendere) gegenüber statusniedrigere (meist einkommsschwächere) BewohnerInnen statt. Tatsächlich verkleistern einige Leute, die das Phänomen auf sehr platte Wiese ansprechen, den Zusammenhang, indem sie gegen „Schwaben“ oder ähnliches wettern. Dabei gibt es genug Leute ohne viel Geld in Berlin, die eben aus den schwäbischen Verhältnissen geflüchtet sind in das tolerantere und vielfältigere Berlin.

    Die Herkunft der Leute darf also kein Argument sein, da stimme ich dir zu. Aber die Möglichkeit, sich hier niederzulassen, hier zu bleiben oder auch mal im Kiez die Wohnung zu wechseln, ist eben gerade für einkommensschwache Leute immer schwerer geworden im Zuge des steigenden Interesses wohlhabenderer Leute an den Kiezen in Mitte und Prenzlauer Berg.

    Da finde ich es ehrlich gesagt nebensächlich, warum vor 15 Jahren alle möglichen Leute hier weggezogen sind, solange wir halbwegs einschätzen können, wie es sich entwickelt hat mit der „freien Wohnortswahl“ – und wer diese hat und wer nicht. Und der derzeitige Protest setzt ja nicht eben an, weil vor 15 Jahren was falsch gelaufen ist, sondern weil gerade jetzt eine Verschärfung der Verhältnisse wahrgenommen wird.

  14. auweia ist das hier schlimm.
    jetzt muss man also eigentlich aus berlin wegziehen, um das zu finden, was man hier mal gesucht hat..
    „farbbeutelanschläge“ von pseudoweltverbesserern auf niedrigenergiehäuser.
    da fällt einem ja wirklich rein garnichts mehr zu ein.
    sinn ade..

  15. Die Beiträge auf dieser Seite sind Dialektik für den Schulunterricht.
    Fragt doch mal die irren Millionäre und alten Großraumwohnungsbewohner, die Geradesokünstler und Bestseller, die eben noch in der Gegend wohnten. Hups! schon weg.
    Und die sind nicht weg, weil ihnen Abschläge gezahlt wurden (manchen haben die etwas über die Runden geholfen), sondern weil eine vervierfachte Miete nicht zu bezahlen war.
    Mal abgesehen vom Ästhetischen: Farbbeutel mit entwürdigender Lebensgestaltung i.S.v. Miete hoch und Löhne runter (für die 80% der ausgetauschten Bevölkerung, die einer hier unterschlagen hat) aufzurechnen ist Tagesschau.
    Gute Nacht, Prenzlauer Berg
    Morgen ist ein anderer Tag

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