Zionskirch Ecke Choriner

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Reisebusse voll mit Touristen, so etwas sieht man mittlerweile häufiger im Kiez. Sie rollen die Kastanienallee hinunter, schlängeln sich durch die Zionskirchstraße, winden sich um spitze Kurven und schwenken rund um den Teutoburger Platz aus. Fotostopps oder Pausen sind für gewöhnlich hier nicht geplant, meist verschwinden die Busse über die Fehrbelliner Straße, biegen nach rechts in die Schönhauser Allee ein und fahren dorthin, wo ihr Anblick kein Kuriosum mehr ist, in Richtung Alex. Die Leute in den Bussen, die nun hin und wieder durch den Kiez brummen, schauen hinaus und sehen alle ein wenig so aus, als verstünden sie zumindest in den Nebenstraßen der Kastanienallee selbst nicht so ganz, warum sie ihre Stadtrundfahrt an diese Orte führt. Sie schauen auch ein bisschen so, als seien sie froh, dass sie in ihrem Bus sitzen, in erhöhter Position, hinter Glas, und der Bus fährt. Steht man am Straßenrand und einer dieser Busse fährt vorbei, treffen einen ganz plötzlich zig touristische Augenpaare, die irgendetwas suchen, an einem selbst, eine Erkenntnis, eine Bestätigung ihrer Vorstellung vom “gemeinen Prenzlauer-Berg-Bewohner, diesem possierlichen Großstadttierchen”. Man fühlt sich für einen Moment so wie der Hauptdarsteller im Film “Sonnenallee”, der einem Bus voller Westverwandtschaft am Grenzübergang hinterher rennt, laut “Hunger” schreiend. Zu gern würde ich wissen, was die Damen oder Herren, die vorn im Bus neben dem Fahrer sitzen, in ihre Mikrofone sprechen, was sie den Gästen mitteilen, über den Prenzlauer Berg, die Menschen, die Kastanienallee. Aber ich kann es mir denken, das lässt mein Interesse dann auch ganz schnell wieder schwinden. Kürzlich hielt ein solcher Bus dann doch einmal an, kurz nachdem die Zionskirchstraße die Choriner kreuzt. Die Warnblinkleuchte ging an, die Türen auf, binnen Sekunden strömten etwa 50 Menschen auf den schmalen Bürgersteig und verschwanden im Gänsemarsch in der Zionskirchstraße in Richtung Teutoburger Platz. Wir standen nur da, mit fragendem Blick, bis einer von uns die Antwort auf eine Frage gab, die keiner stellte: „Is bestimmt ‘ne Wohnungsbesichtjung!“

aus: Augen auf(!) Berlin